Zweifelsfälle bei der Substantivierung von Infinitiven
Ein langer Titel für ein wichtiges Thema: Nachdem ich kürzlich Allgemeines über die Substantivierung von Infinitiven und Adjektiven berichtet habe, möchte ich mich heute ein paar Zweifelsfällen zuwenden, zumal in der Facebook-Newsgroup “Gute Rechtschreibung” einige Fragen dazu aufgetaucht sind.
Wenn Infinitive in einem Satz ohne Artikel oder ohne nähere Bestimmung auftauchen, ist es oft nicht klar, ob es sich um einen verbalen Infinitiv (mit Kleinschreibung) oder um einen substantivierten Infinitiv (mit Großschreibung) handelt. In solchen Fällen ist sowohl die Großschreibung als auch die Kleinschreibung erlaubt. Beispiele:
Ich finde, dass schlafen gut für die Gesundheit ist.
Ich finde, dass Schlafen gut für die Gesundheit ist. [gemeint: das Schlafen]
Jeder weiß, dass geben seliger ist als nehmen.
Jeder weiß, dass Geben seliger ist als Nehmen. [gemeint: das Geben und das Nehmen]
Werden die substantivierten Infinitive aber als illustrierende Beispiele zu einem substantivischen Bezugswort verwendet, gilt nur die Großschreibung:
Zu den Aufgaben einer Pilotin gehören Starten, Fliegen und Landen.
Infinitive, die direkt von Modalverben (also wollen, dürfen, können, müssen, sollen, mögen) abhängen, werden immer kleingeschrieben:
Ich will endlich schlafen.
Du sollst nicht töten.
Er muss lernen.
Oft wird der Fehler gemacht, dass verbale Infinitive, also “normale” Infinitive, bei denen nichts auf eine substantivische Verwendung schließen lässt, großgeschrieben werden. Die folgenden Beispiele sind falsch und die Kleinschreibung des Infinitivs ist korrekt:
* Hier gibt es nichts zu Sehen.
* Bitte bald Zurückrufen!
* Es wird ersucht, das Fenster zu Schließen.
Generell kann man sich merken, dass zu + Infinitiv immer kleingeschrieben wird; es sei denn, ein Artikel gesellt sich zum zu und wird zu zum:
Es ist zum Heulen.
Liebe Frau Jenner
Was ist richtig: Frühere Ausweise werden durch den vorliegenden ersetzt. Oder sollte den Vorliegenden doch gross geschrieben werden?
Herzlichen Dank für Ihre Hilfe und herzliche Grüsse aus der Schweiz.
André
Lieber André,
danke für die Frage! In diesem Fall muss auf jeden Fall kleingeschrieben werden, da sich “vorliegenden” auf das Substantiv “Ausweise” bezieht.
Schöne Grüße
Dagmar
Hallo Frau Jenner,
bin jetzt bei folgendem Text doch verunsichert. Die Rede ist von Automodellen u. ich denke, dass “Alten” – womit dann eben “der Wagen” gemeint ist – großgeschrieben falsch ist:
Unsere Modelle X, Y und Z sorgen dank Klimaanlage für beste Sicht. Geben Sie einfach Ihren Alten in Zahlung.
Kann es aber auch nicht mehr nachvollziehen, da ja der direkte Bezug im vorhergehenden Text fehlt, in dem nur von Modellen die Rede ist.
Wäre wirklich schön, wenn Sie meine Zweifel ausräumen und das vielleicht auch noch erklären könnten. Ich habe nur noch bis morgen früh Zeit bis zur Abgabe. Wäre aber auch danach noch für eine Antwort dankbar.
Herzliche Grüße
Claudia
Hallo Claudia,
also bei diesen beiden Sätzen hapert es hauptsächlich an der Logik, da, wie du schreibst, der Bezug zu “Alten” fehlt. Stünde da “ihr altes”, bezogen auf “Modell”, müsste natürlich kleingeschrieben werden. “Ihren Alten” soll wohl “Ihren alten Wagen” heißen, wobei ich ad hoc darunter eher eine wenig schmeichelhafte Bezeichnung für einen Lebenspartner verstehe. Marketingtechnisch ist das wohl nicht gerade ein Hit, aber das nur am Rande.
Also, nachdem hier weit und breit kein Substantiv in Sicht ist, auf das sich “A/alten” beziehen könnte, scheint mir die Großschreibung die einzige Lösung zu sein. Dass der Text, wie das so schön heißt, “defekt” ist, macht die Sache nicht leichter.
Schöne Grüße
Dagmar
Sehr geehrte Frau Jenner,
die erwähnten Beispiele sind mir alle klar, aber ich bin heute wieder über eine Wendung gestolpert, die mich zweifeln lässt: Substantiv oder Verb?
“nach einem Monat Ü/überlegen und R/rechnen entschloss er sich doch dazu den teuren Fernseher zu kaufen.”
Früher hätte man gesagt “nach einem Monat des Überlegens”, dann wäre alles klar gewesen …
Können Sie das aufklären?
Herzlich
Evelyn
Liebe Evelyn,
das ist exakt der gleiche Fall wie in meinem ersten Beispiel (siehe oben im Beitrag). Du musst nur die Überlegungen analog auf dein Beispiel anwenden und wirst zu dem Schluss kommen, dass beides erlaubt ist.
LG
Dagmar
PS: Nach “dazu” muss ein Komma stehen.
Sehr geehrte Frau Jenner,
ich moechte fragen, ob alle Substantive, die aus einem Verb gebildet worden sind, gehoeren zur Kategorie “substantivierte Infinitiven”. Es geht mir genau um den Satz:
Die SAB-induzierte kardiale Schaedigung ist mittlerweile ein gut studiertes klinisches Modell und valides Beispiel fuer neurokardiogene Interaktion.
Ist Schaedigung in diesem Satz substantiviertes Infinitiv?
Hallo Barbara,
nein, denn der substantivierte Infinitiv von “schädigen” wäre “das Schädigen”. Bei “Schädigung” handelt es sich um ein ganz “normales” Substantiv, das, wie so viele Substantive, auf einem Verb basiert.
LG
Dagmar
Hallo liebe Dagmar,
ums gleich vorwegzunehmen, ich bin in Rechtschreibung echt nicht gut. Wie dem auch sei, ich habe rund um die Substantivierung Probleme. Heisst es nun richtigerweise: ‘…wir am Sonntag etwas Sportliches machen.’, oder wird ‘sportliches’ klein geschrieben?
Besten Dank, für deine Rückmeldung
LG Michael
Hallo Michael,
vielen Dank für deine Frage. Das hier ist ein ganz klarer Fall eines substantivierten Adjektivs, zu erkennen in diesem Fall an dem Wörtchen “etwas”. Selbiges gilt etwa bei “nichts” und “alles”: nichts Neues, alles Gute.
LG
Dagmar
Hallo Dagmar,
besten Dank, für deine prompte Rückantwort. Dann wird es also in der Tat groß geschrieben? Buh, hätte es, zumindest aus dem Bauch heraus, klein geschrieben. Aber als ich mich einwenig mit der neuen Rechtschreibung, primär mit der Gross-, und Kleinschreibung, befasst habe, dachte ich mir, es müsste in der Tat gross geschrieben werden. Bin schlauer geworden
. Danke nochmals!
Beste Grüße aus Österreich
Michael
Hallo Michael,
ja, ganz entschieden Großschreibung hier. Als Einstieg in die Groß- und Kleinschreibung schlage ich vor, dass du dich durch die entsprechend Kategorie auf der rechten Seite klickst.
LG
Dagmar, derzeit in Santiago de Chile
Hallo Dagmar,
vielen herzlichen Dank. Ja, hab schon begonnen, mich da durchzuklicken. Finde deine Seite super!
, ein technisches Studium. Es ginge mir also nicht um den Inhalt, sondern, wie oben erwähnt, Satzstellungen, Rechtschreibung und Grammatik. Es ist bis dahin ja noch Zeit.
Wie ich gesehen habe, bietest du auch Korrekturlesen an. Werde nämlich in rund 2-2.5 Jahren meine Master-Thesis schreiben. Bin mir da am Überlegen (ist hier Grossschreibung korrekt?), ob ich es hinsichtlich Rechtschreibung und Grammatik, Korrekturlesen lassen soll. Wie du dir sicherlich schon denken kannst, absolviere ich, auf Grund meines geringen sprachlichen Talents
Schöne Grüsse nach Santiago de Chile und ebensoviele, aus dem heute sonnigen Vorarlberg
Lieber Michael,
vielen Dank für deine netten Zeilen.
Ja, ich bin Übersetzerin, Dolmetscherin, Korrektorin und Texterin. Das Korrekturlesen von Texten gehört also auf jeden Fall zu meinem Leistungsangebot. Stehe dafür jederzeit gerne zur Verfügung. Aber bis dahin ist ja noch Zeit
Auf baldiges Wiederlesen
Dagmar
Hallo Dagmar,
wie sieht es für den folgenden Satz aus?
So leicht kann lesen sein.
Ich bin der Meiung, dass sowohl die Klein- als auch die Großschreibung korrekt sind. Wie siehst du das?
Liebe Grüße,
Cara
Hallo Cara,
hier musst du lediglich das anwenden, was ich oben im Fall von “geben/Geben ist seliger als nehmen/Nehmen” beschrieben habe. Beides ist möglich, aber mir persönlich gefällt die Kleinschreibung besser.
LG
Dagmar
Eine Frage Groß- oder Kleinschreibung bei folgendem Beispiel:
Es geht um senden und empfangen, um inspirieren und inspiriert werden.
ISt DAS korrekt? oder sind das Substantivierungen, also groß, aber wie wär Subst. bei Inspiriert-werden. So?
Den ersten Teil deiner Frage kannst du selbst beantworten, in dem du meine obigen Ausführungen auf deinen Fall anwendest. Die korrekte Substantivierung von “inspiriert werden” wäre “das Inspiriertwerden”.
Siehe auch http://www.neue-rechtschreibung.net/2009/08/11/knifflige-substantivierungen-verben-in-zusammensetzungen/
Schönen Gruß
Dagmar
Ein guter Beitrag, der viel erklärt.
Mich beschäftigt dennoch eine Frage. Vielleicht können Sie mir da weiterhelfen.
Bei dem Beispiel: „Die neuen Kekse jetzt im Handel. Kaufen und genießen.“
Wäre es korrekt, „genießen“ kleinzuschreiben? Oder wäre das im Sinne von „Geben und Nehmen“ und damit beides möglich?
Mit freundlichen Grüßen,
Maria
Hallo Maria,
in deinem Beispiel gibt es keinen Hinweis auf eine Substantivierung, ergo muss kleingeschrieben werden.
LG
Dagmar
Guten Abend
Wird “vorliegende” im untenstehenden Satz gross oder klein geschrieben?
In einer Angelegenheit, wie die hier vorliegende, können wir leider keine Leistungen erbringen.
Freundliche Grüsse und besten Dank.
Silvia
Klein, denn “vorliegende” bezieht sich auf “Angelegenheit”. Es müsste aber “der hier vorliegenden” heißen und die beiden Kommas entfernt werden.
LG
Dagmar
Besten dank. Ich dachte da quasi das Wort Sache weggelassen wurde schreibt man vorliegende gross
Freundliche Grüsse
Silvia
Liebe Dagmar
In meiner Bewerbungsmappe schreibe ich beim Aufgabengebiet zu einer Stelle folgendes:
-Aufnehmen, schneiden und texten von Fernsehbeiträgen
-Redigieren von Reden und erstellen von Unterlagen für die Direktorin.
Ist das so ok, oder müssten die Verben “schneiden”, “texten” und “erstellen” gross geschrieben werden?
Liebe grüsse
Simon
PS: super Blog!
Lieber Simon,
ein schwieriger Fall – wir könnten hier für reine Infinitive mit Kleinschreibung genau so argumentieren wie für eine Substantivierung mit Großschreibung. Mir würde Letzteres besser gefallen (aufgrund des substantivischen Bezugsworts “Aufgabengebiet”).
Sonnigen Gruß
Dagmar
ok, besten Dank für die Antwort!