Der Deppenapostroph in Höchstform
Das neue Jahr fängt ja orthografisch gut an: Komme gerade aus Zürich zurück, wo ich die Einheimischen so gut wie gar nicht verstanden habe. Frisch zurück in Wien bin ich auf eine Website (deren URL ich hier tunlichst verschweige) gestoßen, auf der der Deppenapostroph fröhliche Urständ feiert. Zur Erinnerung: Ein Deppenapostroph ist ein Apostroph, der dort eingefügt wird, wo er absolut nichts zu suchen hat. Zu den Klassikern zählen etwa der Apostroph beim Plural (*Pulli’s) und beim Genitiv-s bei Eigennamen (*Lisi’s Mütze). Darüber hinaus sind aber der Kreativität beim Deppenapostroph ganz offensichtlich keine Grenzen gesetzt.
Auch hier (siehe Screenshot; zum Vergrößern bitte klicken) dreht sich alles um einen Genitiv, und zwar des Wortes Erfolg. Besonders schlimm wirkt der Deppenapostroph bei zusammengesetzten Substantiven. Schwer zu sagen, was mehr weh tut: die *Erfolg’sArchitektur, die Erfolg’sSäulen, die Erfolg’sZone, die Realisierung Ihres *Erfolg’s … oder doch die Erfolg’sLeistungen? Angesichts dieser Gruseligkeiten nimmt sich die absurde Praxis, mitten im Wort unmotiviert Großbuchstaben zu verwenden, noch vergleichsweise harmlos aus.
Die Autorin geht aber noch einen Schritt weiter und begnügt sich nicht mit dem Deppenapostroph allein, sondern ersetzt ihn kurzerhand durch einen Gravis, den wir als accent grave etwa aus dem Französischen kennen, wie bei mère, dem französischen Pendant zu Mutter.
Vor diesem Hintergrund kann das neue Jahr ja nur noch besser werden, meint die orthografische Optimistin in mir …
Du hast vollkommen recht! Der Deppenapostroph irritiert mich auch immer, aber es kann nur besser werden!
Genau, bleiben wir optimistisch. Viel schlimmer kann es ja eigentlich kaum mehr werden. Aber hoffentlich werde ich nicht eines Besseren (oder eher: eines Schlechteren) belehrt.
Die stehen offenbar zu Ihrem Fehler, wenn er sich doch mit ERFOLG`sSäulen, ERFOLG`sZone, ERFOLG`sLeistungen und ERFOLG´sBuch auf dem gesamten Webauftritt bestaunen lässt. Traurig!
Christoph: Ich fürchte, der Autorin ist das alles überhaupt nicht bewusst. Weiß nicht, was trauriger ist
Übrigens meinst du sicher “ihrem Fehler” anstatt “Ihrem Fehler”.
Immerhin könnte man auch annehmen, dass statt Unwissenheit Kalkül und Marketingstategie ausschlaggebend war: wenn das ERFOLG möglichst immer allein stehen soll, um durch konsequentes Branding einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, sind Sachen wie die ‘sZone fast zwangsläufig – und vor allem konsequent. Dass es ein Schlag ins Gesicht für jeden ist, der einigermaßen Deutsch kann, ist wohl zweitrangig.
Der Deppenapostroph in Höchstform
Geschrieben am 3. Januar 2011 Dagmar Jenner 5 Kommentare
Das neue Jahr fängt ja orthografisch gut an: Komme gerade aus Zürich zurück, wo ich die Einheimischen so gut wie gar nicht verstanden habe.
Kann nicht an ihrer Orthographie liegen
)
Stimmt; das lag eher an der Aussprache
Danke fürs aufmerksame Lesen.
[...] sich der Jahresanfang in Sachen deutsche Orthografie alles andere als erfreulich gestaltet hat, gibt es immerhin im Bereich der Übersetzungen diesmal ein Positivbeispiel, mitgebracht auch dem [...]
Ich habe den “Deppenapostroph” sogar in den letzten beiden Ausgaben der Tageszeitung “Die Presse” gefunden. Da ist mein Weltbild schon gehörig ins Wanken gekommen. Bisher dachte ich immer, wenigstens die schreiben noch richtig. Außerdem haben sie ja auch Eva Male.
Wenn ich Zeit habe, werde ich einen Leserbrief schreiben.
Und nächstes Jahr zu Weihnachten wünsche ich mir so eine Wunderpistole, mit der ich alle falschen Apostrophe auf allen Schilder in ganz Wien (oder sogar in ganz Österreich) eliminieren kann
Oh, das tut weh. Im direkten Vergleich zum “Standard” können die von der “Presse” ja ausgezeichnet rechtschreiben. Werde mir wohl noch heute die Sonntagsausgabe zu Gemüte führen und mich schon mal gedanklich darauf vorbereiten, Grausamkeiten serviert zu bekommen.
Und: So eine Wunderpistole hätte ich auch gerne! Werde schon mal vorsorglich einen Brief ans Christkind und an Santa Claus aufsetzen
Aufschlussreiche Hinweise! Ich werde mich damit in Zukunft mehr auseinandersetzen! Bin gespannt auf weitere Eintraege!
Ich frage mich immer wieder, wie das Deppenapostroph in solch misslichen Lagen gerät. Da gibt es ganze Firmen (Werner`s Backstube, Gerti’s Saftladen), deren Firmenlogo solch ein Apostroph bzw. ein Gravis ziert. Macht sich da vorher niemand Gedanken? Sind die zuständigen Grafiker Legasteniker? Sollte man das nicht nachträglich ändern, wenn der Fehler bekannt wird? Neulich zeigte mir eine Kollegin ihr neues Tattoo, das sie gut sichtbar auf der Innenseite ihres Unterarms trägt. “Gods’ Will” steht dort. Ich war sprachlos.
@Dirk: Wieso, ist doch vielleicht korrekt: “Götter Wille”.
@Dirk: Das ist aber krass. Hast du es übers Herz gebracht, deine Kollegin aufzuklären?
Was diverse Firmen mit Fehlern auf Schildern etc. anbelangt, so fürchte ich, dass die meisten auch dann nichts daran ändern, wenn sie über den Fehler aufgeklärt werden. Das ständig aktuelle Motto der Schlechtschreibung scheint zu sein: Hauptsache, es ist verständlich.
@Dagmar: Nein, ich habe es ihr nicht gesagt. Peinlich daran ist aber auch, dass der Tätowierer das nicht bemerkt hat. Oder es war ihm einfach egal. Beides spricht nicht für ihn (oder sie?).
@Dirk: Ich habe auch schon einen Unterarm gesehen, auf den FUK tätowiert stand. Nicht, dass FUCK eine bessere Tätowierung hergegeben hätte, aber bevor man an sich selbst Hand anlegt, sollte man doch nachsehen, ob es so richtig ist
@Tom: könnt´ aber auch sein, er gehört der Feuerwehr Unfallkasse Niedersachsen an… sah er denn gelöscht aus?
Wahr’scheinlich wird da’s ‘s irgendwann automati’sch nur noch mit Apo’stroph ge’schrieben. Fort’schrittliche Ta’staturen werden e’s nur noch mit ‘Strich au’sdrucken.
‘Sieht be’sonders ‘schei’s'se au’s bei Wörtern wie ‘Schü’s'sel.
DD
“Deppenapostrophe” ist ein wunderbares Wort – vielen Dank dafür! Um die Ecke von mir gibt es “Tapa’s” (the food, in case you were wondering).
Der Gebrauch von Akzents (` und ´)macht mich auch narrisch; ich bin dauernd dabei, Kunden aufzuklären, but to no avail…
Der Apostroph bei Eigennamen kann verwendet werden, um die Grundform eines Personennamens zu verdeutlichen. Beispiele: Andrea’s Eissalon oder Carlo’s Pizzaparadies (Andrea’s wegen Andreas, Carlo’s wegen Carlos).
Der Apostroph sollte nur bei Namen verwendet werden, bei denen es zu Verwechslungen kommen kann. ABER: die generelle Verwendung ist nach der neuen Rechtschreibung zwar fragwürdig, gilt aber NICHT MEHR ALS FEHLER!
@ Franz: Das ist mir bekannt, allerdings verstehe ich die Logik dahinter nicht. Ein Eissalon, der Andreas gehört, wird doch ganz klar zu Andreas’ Eissalon (wegen des s am Ende muss unbedingt ein Apostroph stehen). Der Eissalon von Andrea ist wiederum Andreas Eissalon. Ich sehe hier keine Verwechslungsgefahr.
Woher stammt die Information, dass “die generelle Verwendung” (von falschen Apostrophen?) in der “neuen deutschen Rechtschreibung nicht mehr als Fehler gilt”?
Stellen Sie sich folgendes Firmenschild vor: “Andreas Stube”. Ist das jetzt das Firmenschild von Herrn Andreas Stube, oder handelt es sich um das Gasthaus/die Stube von Frau Andrea? Das wäre ein Beispiel für die genannte Verwechslungsgefahr.
Die “generelle Verwendung” bezieht sich natürlich nur auf Namen, “Großmutter’s Apfelkuchen” ist nach wie vor falsch! Der Apostroph in “Willi’s Würstchenbude” hingegen ist nach Auffassung des Duden zulässig. Es gibt dazu einen Newsletter vom 06.02.2009:
http://www.duden.de/deutsche_sprache/sprachberatung/newsletter/archiv.php?id=215#gewusst
Wenn “Willi’s Würstchenbude” zulässig ist, dann wohl auch “Fini’s Feinstes” etc. Mit diesem Beispiel hat der Duden meines Erachtens nach der Verwendung des Genitiv-Apostrophs bei Eigennamen einen Freibrief erstellt.
Herrlich!
Neulich war ich bei einem Fotografen, um Bewerbungsfotos anfertigen zu lassen.
Die freundliche Lady an der Kasse hat sie mir sogar alle auf CD gebrannt. Diese hat sie dann wie folgt beschriftet:
” – Bewerbung’s Foto’s”
Und da stolpere ich heute, wenige Tage später, über diesen Blog. Zufall?
Die Frau Kittl hat jetzt auch einen Motivation`sNewsletter, schon gesehen?
Motivation`s Newsletter – das hat ja gerade noch gefehlt …
De Deppenapostroph vor dem Genitiv-s ist ja noch harmlos. Ich hab schon Dinge wie „recht’s“ und „angesicht’s“ gelesen …
Eine kurze, übersichtliche Darstellung wann das Auslassungszeichen verwendet werden darf und wann nicht, findet man unter http://apostroph.falsch.es
Das Deppenapostroph führt immer wieder zur Verwirrung und ist schlicht schlechter Stil!
@Anonymus: Das Apostroph mag die von Dir angegebene Internetseite korrekt behandeln, die restliche Rechtschreibung bleibt auf der Seite allerdings voll auf der Strecke. Dort sollte man auf eine weitere Seite verweisen, die sich mit der richtigen Verwendung von “das” und “dass” beschäftigt.
Dirk: Zum Beispiel http://www.dasdass.de/