Wer über zwanzig ist, schreibt sich … wie?

Vor einiger Zeit erreichte mich eine Anfrage, über die ich immer wieder nachgedacht habe. Sie lautete wie folgt:

Probleme bereiten mir die Überfünfzigjährigen und die Unterdreijährigen. Das sind schreckliche Wörter, aber, wenn sie vorkommen, wie schreibt man sie im Satzzusammenhang am besten?

Ad hoc dachte ich: Wie wäre es mit über Zwanzigjährige bzw. über 20-Jährige? Aber sicher war ich mir nicht.

Zu meiner großen Freude hilft hier der Duden (Band 9, Gutes und richtiges Deutsch) weiter, und zwar unter dem Eintrag über.

Da steht zu lesen, dass diese Fügung weder zusammengeschrieben werden darf noch mit Bindestrich versehen werden darf, also nicht: *die Überzwanzigjährigen (wie die Leserin vorschlug) oder *die Über-Zwanzigjährigen, sondern nur die über Zwanzigjährigen. Genauso erlaubt ist natürlich die über 20-Jährigen.

Argumentiert wird das folgendermaßen: Hier wird über als Adverb, wie z. B. fast oder bereits gebraucht: Die fast Zwanzigjährige ist von zu Hause ausgezogen. Die bereits Zwanzigjährige studiert im 3. Semester an der Uni.

Analog dazu verhält es sich mit den unter Zwanzigjährigen bzw. unter 20-Jährigen.

Wie geht es euch damit? Bevorzugt ihr die Schreibweise über Zwanzigjährige oder über 20-Jährige? Oder wollt ihr die Fügung als Kompositum verstehen und, der Duden-Empfehlung zum Trotz, Überzwanzigjährige schreiben? Die Tatsache, dass sich diese Fügung in vielen Fällen anders lösen lässt, etwa mit Menschen über 20 Jahre, lassen wir hier mal beiseite.

14 Responses to Wer über zwanzig ist, schreibt sich … wie?

  1. Karen sagt:

    Spontan fällt mir dazu der Mittdreißiger ein … und ich bevorzuge die Schreibung, die nicht Duden-konform ist, denn sie ist meiner Ansicht nach besser lesbar. Warum? Wenn ich “über 20-Jährige” lese, warte ich auf eine Ergänzung, die mir das “über” rechtfertigt, also im Sinne “über 20-Jährige schreibt die Autorin nichts.”

  2. Wenjer sagt:

    Genauso wie Karen ziehe ich, ein Mittfünzigjähriger, den Ausdruck “Überzwanzigjährige” dem anderen “über 20-Jährige” oder “über Zwanzigjährige” vor. Ich würde lieber die unnötige Mehrdeutigkeit von “über” vermeiden, trotz der Duden-Empfehlung.

  3. Knorpel sagt:

    Vielen Dank erstmal für die Beantwortung meiner Frage, Dagmar! :)
    Also, wenn ichs schreiben müßte, würde ich “der Unterfünfundsechzigjährige” schreiben. Liest sich zwar blöd, erscheint mir aber am korrektesten.
    Übrigens lustig, daß der Duden auf einen Grammatikfehler hinweist, ohne ihn zu benennen: ein Adverb im Zusammenhang mit einem Substantiv. Das klingt in meinen Ohren ebenso grauenvoll wie “die schrittweise Steigerung”.

  4. Ich kann die Argumentation von Duden nicht nachvollziehen — denn in deren Beispielen modifiziert “fast” oder “bereits” das gesamte Adjektiv “zwanzigjährig”. Die Person ist also fast zwanzigjährig oder bereits zwanzigjährig.

    Aber zu schreiben, die Person sei über zwanzigjährig, ergibt für mich keinen Sinn: “über” mit “zwanzigjährig” zu verknüpfen, geht für mich nicht.

    Für mich modifiziert “über” nur die “zwanzig” (“über zwanzig” ist korrekt) – aber man kann in Komposita nicht nur den ersten Teil modifizieren (à la *”blühender Gartenzwerg” für einen Zwerg in einem blühenden Garten).

    Also kommt für mich nur “Über-Zwanzig-Jährige” in Frage (analog zu “Blühender-Garten-Zwerg” oder evtl. “blühender-Garten-Zwerg”).

    Ein bisschen verwandt wäre, wenn man schriebe, “seine Leistungen waren über durchschnittlich”. Sie sind über dem Durchschnitt, aber man kann “über” dennoch nicht zusammen mit “durchschnittlich” verwenden – ich kann es zumindest nicht. Daher: “überdurchschnittlich”. (“Über-Durchschnitt-lich” geht ja nicht.)

    Bei “Überzwanzigjähriger” bin ich mir allerdings eher unsicher – und “Blühendergartenzwerg” scheidet für mich ganz aus.

  5. @Knorpel: darüber beschwert sich mein Vater auch gerne, bevorzugt am Beispiel des “schwer Behinderten”, bei dem auch ein Adverb ein Substantiv modifiziert. (Wenn “schwer” ein Adjektiv wäre, müsste es ja heißen: “ein schwerer Behinderter”. Was dann wiederum etwas ganz Anderes ist.)

    Für mich ist das allerdings nicht ganz so schlimm, denn es handelt sich ja bei “Behinderter” nicht um irgendein Substantiv, sondern um ein substantiviertes Adjektiv. Dass dieses noch adjektivähnliche Züge aufweist (zum Beispiel, indem es durch ein Adverb modifiziert werden kann), scheint mir nicht unlogisch.

  6. Knorpel sagt:

    @Philip: Die Menschen mit schweren Behinderungen werden heißen doch aber “Schwerbehinderte”. Sonst käme man ja auf den “schwer Behindertenausweis”, das wäre sowas wie Dein “blühender Gartenzwerg”, den ich im übrigen großartig finde.

    Eben weil es nun Schwerbehinderte sind, würde ich analog auch Unterdreijährige schreiben. Aber immer mit der Einschränkung, daß ich das eigentlich gar nicht schreiben würde. ;)

  7. @Knorpel: Interessant – duden.de listet sowohl “schwer behindert” als auch “schwerbehindert” für das Adjektiv (empfiehlt aber die zusammengeschriebene Form). Beim substantivierten Adjektive gibt’s nur “Schwerbehinderter”, wie du schriebst.

  8. Der “blühende Gartenzwerg” ist übrigens nicht von mir :) Ich habe ihn, glaube ich, in Elke Nowaks _Inuktitut: Eine grammatische Skizze_ gelesen (in einer Diskussions, dass in Inuktitut ebensoeine externe Modifikation einer Komponente in Inuktitut durchaus möglich ist – da kann man etwas der Art “fünf Hundebesitzer” ausdrücken, im Sinne von “jemand, der fünf Hunde besitzt”).

    Ein anderes Beispiel, das ich schon vorher kannte, ist der “vierköpfige Familienvater”.

  9. Heiny Volkart sagt:

    Schreibt doch einfach Ü30, Ü50 … . Nicht elegant, aber für jedermann verständlich. ;-)

  10. Vincent sagt:

    Ich habe das jetzt wohl nicht richtig verstanden (habe mein Richtiges und gutes Deutsch nicht hier).
    Seit wann ist ein Präposition ein Adverb? Mich stören zwei Dinge dabei:
    1. Eine Präposition ist kein Adverb.
    2. Die Rechtfertigung, ein Adverb in Verbindung mit einem Nomen zu nehmen, ist für mich eher schwach.

  11. Knorpel sagt:

    Hehe! Das muß ja ein zum Brüllen komisches Buch sein! :D

  12. André sagt:

    War das denn schon immer so? Hab leider die 3. Auflage von Band 9 nicht, aber das riecht irgendwie so ähnlich wie dieses fürchterliche “Erfolg versprechend”, was man jetzt überall sieht.

  13. Hallo André,

    ich habe gerade in einem uralten Duden aus dem Jahr 1980 nachgesehen und dort findet sich diese Schreibweise ebenfalls.

    LG
    Dagmar

  14. Knorpel sagt:

    In meinem Bd. 9 von 1985 steht das auch so: “Die über Siebzigjährigen.” :-/

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>