Wenn die Lust “auf’s Lesen” vergeht
Ich lese sehr viel und sehr gerne. Meine sehr persönliche Meinung zu den Büchern, die ich im Laufe der Zeit lese, veröffentliche ich in der Form von Rezensionen auf dieser Website. Ich habe also so gut wie immer Lust aufs Lesen. Worauf ich aber überhaupt nicht stehe, ist die *Lust auf’s Lesen.
Für mich ist es sehr frustrierend, gravierende Rechtschreibfehler ausgerechnet in der Zeitung zu lesen. Vor vielen Jahren bin ich, ganz naiv, davon ausgegangen, dass Journalistinnen und Journalisten die Grundlage ihres Berufs, also die Rechtschreibung, aus dem Effeff beherrschen. Leider werde ich da immer wieder eines Besseren belehrt. Wenn ich gelegentlich die Möglichkeit ergreife, Journalistinnen und Journalisten auf dieses Manko hinzuweisen, reagieren sie meistens sehr verschnupft und schieben die Schuld etwa auf die „überlastete Lektorin”. Wie wär’s damit, selbst ein wenig Verantwortung zu übernehmen? Sollte es nicht selbstverständlich sein, dass Journalistinnen und Journalisten rechtschreiben können? Offensichtlich bin ich heillos altmodisch. Rechtschreibfehler in renommierten Zeitungen und Zeitschriften finde ich auf Schritt und Tritt. Ganz oben auf der Negativ-Skala steht die österreichische Qualitätszeitung Der Standard, bei deren Lektüre ich vor allem bei der Kommasetzung oft den Eindruck habe, dass Schülerinnen und Schüler am Werk sind.
Die Oberösterreichische Nachrichten ist eine Lokalzeitung. Auch hier besteht anscheinend Nachholbedarf bei der Rechtschreibung. Wie ich bereits vor langer Zeit ausführte, ergibt die Verbindung der Präposition auf und des Artikels das die Verschmelzung aufs, die wohlgemerkt ohne Apostroph geschrieben wird. Die Katze springt also nicht *auf’s Dach, sondern aufs Dach. Wir gehen nichts *in’s Haus, sondern ins Haus.
Selbiges gilt auch für ans, durchs, hinters, übers, ums, unters, vors, am, beim, hinterm, im, überm, unterm, vorm, zum etc.
Ausnahmen sind nur eher ungewöhnliche und/oder umgangssprachliche Wendungen wie z. B. Wir treffen uns nach’m Essen. Wir gehen in’n Zirkus.
Auch auf Twitter predige ich ständig, dass es nicht *danke für’s Folgen heißen darf, sondern danke fürs Folgen. Ganz abgesehen mal davon, dass das Ganze eine etwas gewöhnungsbedürftige Übersetzung aus dem Englischen ist. Vielleicht spricht es sich irgendwann herum. Ich bleibe zuversichtlich und bin ja mittlerweile schon richtig glücklich, wenn ich nicht *danke für’s folgen lesen muss.
Hallo Dagmar,
danke fürs Drauf-aufmerksam-Machen. Mir ist dieser Unterschied bisher nicht bewußt gewesen, ich werde in der Zukunft mal drauf achten. Obwohl ich fürchte, daß es mir dann beim Lesen noch schlechter geht als bisher. Die letzte Information dieser Art, die meine Kompetenzen so erweiterte, daß ich mich immerzu ärgern mußte, war der Hinweis auf den Unterschied zwischen “scheinbar” und “anscheinend”. Das ist zwar kein Rechtschreibproblem, tut aber genauso weh.
Übrigens glaube ich, daß Du bei den Beispielen im vorletzten Absatz “unterm” und nicht “unter” schreiben wolltest.
Viele Grüße,
Knorpel
Hallo Knorpel,
vielen Dank für den Hinweis. Da hast du völlig Recht und ich habe diesen Fehler korrigiert.
LG
Dagmar
Hallo Dagmar,
ich kannte deine Website http://www.buchrezension.eu noch nicht. Danke für den Tipp. Die habe ich gerade per RSS abonniert. Aber kannst du bitte die Beiträge als Volltext veröffentlichen statt in gekürzter Form? Ich lese regelmäßig fast 60 Blogs und halte es für unproduktiv und leicht nervig, jeden einzelnen interessanten Blog besuchen zu müssen, um den Rest eines Beitrags zu lesen. Veröffentlichung mit Volltext tust du übrigens schon ganz toll hier auf http://www.neue-rechtschreibung.net.
Viele Grüße!
Fabio
@fidusinterpres
Ich möchte an dieser Stelle mein herzliches DANKESCHÖN für diese tolle Seite und die informativen Artikel ausdrücken. Auch ich stolpere täglich an jeder Ecke über falsche und schlampige Rechtschreibung …
Viele Grüße!
@ Fabio: Ich seh mir das an; danke für die Anregung.
@ Claudine: Ich habe mir sehr über deine netten Zeilen gefreut! Auf baldiges Wiederlesen
LG an alle
Dagmar
Ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, dass die oben geschilderte Position altmodisch ist, aber gerade als “Expertin” hätte man ein wenig mehr Fingerspitzengefühl erwartet. Sie haben studiert, nehme ich an? Ich jedenfalls habe Sprach- und Literaturwissenschaft studiert und in meinem Studium wurden mir auch liberale Positionen zugetragen. Zum einen glaube ich nicht, dass das Gros der Personen die Fehler absichtlich macht(, um Sie zu ärgern), zum anderen muss man Sprachwandel akzeptieren können. Dinge, die lange genug, von vielen oft falsch gemacht werden, sind Dinge, über die man diskutieren kann und muss. Es gibt ja z. B. Gründe, warum Lautwandel sich vollzieht und Wörter früher anders geschrieben wurden. Da kämpft man dann auf verlorenem Posten, gegen Windmühlen, schwimmt gegen den Strom, oder wie man es immer ausdrücken mag, wenn man an einer Regel festhalten will, selbst wenn um einen herum die Sprache schon über lange Zeit anders verwendet wurde. Die Regelwerke haben sich immer der Sprache angepasst und nur selten ist der umgekehrte Weg begangen worden.
Es mag sein, dass in Redaktionen zu wenig Wert gelegt wird auf den Umstand, sich mit der Sprache auszukennen. Doch ich denke nicht, dass es oberste Pflicht von Journalisten sein sollte, sich mit Sprache auszukennen. Professoren und Lehrer, Dozenten und “Experten” sollten sich damit auskennen. Journalisten sollten sich vor allem mit den Dingen auskennen, über die sie schreiben, und wenn sie dann noch wissen, wo sie sich über eigene Unsicherheit zwecks Rechtschreibung informieren, ist das schon ein ganz ordentliches Paket. Sie sollten nicht vergessen, dass es sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, sich tatsächlich mit einer Sache gut auszukennen. Sie wissen sicherlich, wie viele Regeln und wie viele Vokabeln die deutsche Sprache derzeit umfasst. Sie wissen aber vielleicht auch, wie viel der aktive und passive Wortschatz in der Regel nur ausmacht. Wenn Sie nun in unserer schnelllebigen Zeit von einem Journalisten verlangen, er solle sich auf dem Gebiet der Rechtschreibung spezialisieren, dann muss er mit Sicherheit Abstriche bei seiner Arbeit machen. Natürlich sollten weder Sie noch ich pauschalisieren. Nur wollte ich Sie eben mit dieser absichtlich zugespitzten Sichtweise auch mal auf eine andere Perspektive aufmerksam machen. Es ist gut, dass Sie auf Fehler hinweisen, aber Sie sollten Ihre Bewertung der Situation vielleicht überdenken, oder die Sache zumindest versuchen lockerer zu sehen.
Viel Erfolg weiterhin.
Rechtschreibung ist keine “Spezialisierung”, sondern Allgemeinbildung. Wer die Grundlagen davon nicht kennt, disqualifiziert sich als JournalistIn.
Hallo Fabio,
sorry, mein Webmaster hat das abgelehnt, weil der vollständige Feed als kostenpflichtige Option für die Einbindung auf anderen Websites zur Verfügung steht, nicht aber zum “normalen Lesen”. Das funktioniert weiterhin nur direkt über http://www.buchrezension.eu
LG
Dagmar
Ich schließe mich voll und ganz der obigen Meinung an, dass Rechtschreibung zur Allgmeinbildung gehört und keine Spezialisierung ist – und von Journalisten absolut beherrscht werden sollte, denn schließlich tragen sie auf vielfältige Weise zur Verbreitung der geschriebenen Sprache in Zeitschriften und Zeitungen bei. Und wenn sie es nicht beherrschen, tragen sie zur Verbreitung fehlerhafter Rechtschreibung bei – das sollte nicht sein! Zeitungsartikel mit Rechtschreibfehlern sind ebenso ärgerlich wie schlampige Orthographie in Büchern.
Lieben Gruß
C.
Eine Frage habe ich noch: Warum schreiben Sie eigentlich oben “Auch auf Twitter predige ich ständig, dass es nicht *danke für’s Folgen heißen darf, sondern danke fürs Folgen.” Was hat das mit “dürfen” zu tun? Die Rechtschreibung hat nicht den Status eines Gesetzes, und als Expertin sollten Sie wissen, dass der Duden Verlag ein privates Unternehmen ist, das sicherlich nicht dieselben heren Ziele verfolgt wie Sie selbst.
Dass das vielleicht “ärgerlich” ist, wie Frau Gabriel schreibt, kann ich gerade noch durchgehen lassen. Das ist dann allerdings ein Werturteil.
Was erzählen Sie denn der 80-Jährigen, die nicht weiß, was ein Sale (Substantiv, maskulin – Schlussverkauf zu ermäßigten Preisen) ist? Sagen Sie da, das steht doch im Duden, das gehört zur Allgemeinbildung? Warum gehen Sie nicht gerichtlich gegen die Kraft Food GmbH vor, die, wie so viele andere Firmen, die im “deutschsprachigen” Raum agieren “Weisse Schokolade” auf Ihre Milka-Verpackung drucken, obwohl es schlechterdings nur in der Schweiz, nicht aber in Österreich und Deutschland so heißen sollte, weil man hierzulande ja “weiße” Schokolade schreiben sollte. Wenn Sie formulieren, dass das nicht sein darf, dann tun Sie was dagegen. Auf der Homepage von Milka steht sogar Alpenspass für jeden lesbar, obgleich es doch Alpenspaß heißen sollte?! #lach
Sie als Expertin, die ja sicherlich weiß, was es mit der Benrather Linie in Bezug auf die deutsche Sprache auf sich hat, und welche Mechanismen zur Lautverschiebung geführt haben. Glauben Sie nicht auch, dass es zu jener Zeit bereits Leute wie Sie gab, die den Wandel von starken zu schwachen Verben gerne verhindern hätten wollen und es nicht geschafft haben? Welchen Sinn sehen Sie denn darin, außer Ihr persönliches Bedürfnis nach sprachlicher Ästhetik zu befriedigen? Sie liefern in dem Beitrag dort oben jedenfalls kein Argument für Ihre Position. Sie führen keine Regel an, der zufolge man es nicht so schreiben sollte. Sie führen keinerlei Quellen an, und also müssen wir uns darauf verlassen, dass Sie die Wahrheit sagen. Nur Meinungen als Wahrheiten zu verkaufen… Es gibt schon Gründe, warum nicht jeder im Internet ohne Weiteres Rechtsberatung geben darf. Diese Sichtweise könnte man sicherlich auf andere Situationen ausweiten. Sie tun auch nichts, um den Lesern vor Augen zu führen, welche Umstände es “plausibel” machen, es so zu schreiben, wie Sie fordern. Ich nenne Ihnen aber ein Argument, das durchaus plausibel ist, es wie die Oberösterreichische Zeitung zu schreiben. Der Apostroph kann als grafischer Indikator für den Zusammenschluss gewertet werden, und würde es erleichtern, die Verbindung der zwei Worte zu erkennen.
Wenn Sie auf die Frage, ob man aus der Geschichte lernen sollte, mit Ja antworten würden, dann predigen Sie doch keine Dogmen, sondern nutzen Sie Ihre Ressourcen, Leuten beizubringen, wie man Sprache einsetzt.
Ich glaube, ich lasse Ihnen Ihre Sisyphusarbeit einfach und halte für mich fest, dass Sie ein verqueres Verständnis von Allgemeinbildung haben. Denn letztlich ist der Bedeutungsumfang der Allgemeinbildung zu jeder Zeit ein anderer, nur ich glaube, dass jemand, der einen Webmaster benötigt, damit dieser Ihm ein Blog einrichtet, selbst noch Nachholbedarf hat, immerhin kann das eigentlich jedes Kind. Ich hoff’ Sie nehmen mir diese überspitzte Darstellung nicht krumm, sie soll nur helfen, zu betonen, wo ich denke, dass für mich der Hase im Pfeffer begraben liegt an dieser Stelle.
Ach eines noch. Wenn irgendwann der Duden auf die Idee kommen würde, das, was Sie oben anprangern, als richtige Schreibung aufzunehmen, wie würden Sie darauf reagieren? Korrigieren Sie dann diesen und andere Beiträge? Oder steht dieser dann unverändert im Netz, und falls er bei Google gut gelistet wird, machen dann viele Leute auf Ihre Anleitung hin zukünftig alles anders als man es sollte?
Darauf, daß der Duden nicht mehr die Regelungsinstanz repräsentiert, nun aber umso mehr den Anspruch darauf erhebt, habe ich auch schon einmal hier festgestellt. Ich glaube, auf dieser Seite geht es nicht um Ansichten über die richtige Schreibung, sondern tatsächlich um das, was gerade regelkonform ist. Da haben dann natürlich, wie Sie richtig bemerken, Herr Trost, subjektive Bewertungen von “Falsch”schreibungen nichts zu suchen.
Will man den kritischen Blick auf die aktuell gültigen Schreibregeln schärfen empfehle ich Theodor Icklers Büchlein “Falsch ist richtig”.
festgestellt = hingewiesen.
Was ist denn hier los? Sollten wir nicht froh sein, dass es diese tolle Seite gibt, wo man jede Menge interessanter Details zum Thema deutsche Rechtschreibung erfährt, auf einen Schlag, anstatt stundenlang selbst auf die Suche zu gehen? Das Lesen dieser Seite geschieht doch freiwillig! Warum sich also dermaßen ereifern?
Bitte um Verzeihung, aber über diese beiden überlangen Beiträge von Herrn Trost kann ich mich nur wundern. Ich finde, diese Energie könnte durchaus besser genutzt werden…
Wo ist denn der andere Beitrag von Herrn Trost hin? Der war doch echt gut?
Liebe Dagmar,
Vielen Dank für diese tolle Seite. Bitte entschuldigen Sie meine manchmal skurrile Ausdrucksweise, da deutsch nicht meine Muttersprache ist, sondern französisch.
Grundsätzlich fällt mir ein:
- Eine beträchtliche Anzahl von Fehlern könnte vermieden werden, wenn der Verfasser etwas von Rechtschreibung halten würde. Leider sind viele davon überzeugt, der Inhalt wäre wichtiger als die Form. Und damit meine ich “leider” für sie, weil ich, wenn ich nach zwei Zeilen feststellen muss, von Rechtschreibung hält er nix, mir nicht die Mühe mache, weiterzulesen.
- Ich kann nachvollziehen, dass Menschen Fehler machen. Deswegen verdient keiner, erschossen zu werden, aber genau wenn es um Journalisten und andere Kulturberufe geht, darf man erwarten, dass ein bisschen Aufmerksamkeit ins Spiel kommt. Es kostet nichts, bevor man etwas veröffentlicht, die eventuellen Tippfehler mit Hilfe von Sprachkorrektur-Tools zu beseitigen.
- Wenn man sich nicht sicher ist, hilft Duden eher als Wikipedia weiter.
Die Internet-Ära und die Informationsflut ist keine Rechtfertigung, die Rechtschreibung sausen zu lassen. Wenn schon, dann soll man sich nicht beleidigt fühlen, wenn man auf eigene Fehler hingewiesen wird. In vielen Fällen ist es offensichtlich auf ein überdimensionales Ego zurückzuführen so wie aufs Verdrängen jeglicher Verantwortung.
Und von wegen Sprachwandel… Über (zu vielen) Anglizismen kann sich streiten lassen, aber wenn die Menschen sich lächerlich machen indem sie Redewendungen zum Teil benutzen, die sie gar nicht kennen, ohne ihre Quellen nachgeprüft zu haben, bloß weil sie sie in den Medien gehört / gelesen haben, dann sage ich: Peinlich aber selber Schuld.
Danach soll man sich nicht wundern, wenn man nach dem Vorstellungsgespräch nicht weiterkommt, weil irgendwelche “altmodische” Personalleiter mit sämtlichen “Abchecken”, “es macht keinen Sinn” und anderen RTL II-tauglichen Kreationen nicht klargekommenen sind. Angefangen mit mir. Es ist es mein Recht als Arbeitgeberin, Leute nicht einzustellen, die die Grundlage jedes Schulunterrichts stolz und laut verachten. Lieber ist mir jemand, der ab und zu Fehler macht, sich aber bemüht sie zu korrigieren als jemand der halbwegs gut schreibt, ist aber überzeugt dass alles “keinen Sinn macht”.
Ich nutze die Gelegenheit, mich innerlich bei der Person zu bedanken, die den “anscheinend” / “scheinbar” Fehler zitiert hat. Mich bringt dieser nämlich auf die Palme, ungefähr so sehr wie “kleiner wie mein Bruder”.
Last but not least: Hut ab vor demjenigen (in meiner Welt nennt man so was “Troll”) der Ihnen penetrant empfiehlt, das Ganze nicht so streng anzusehen versucht aber selber seine (lückenhaften) Argumenten durchzusetzen.
Hallo Audrey,
ich bin baff. Bist du sicher, dass Deutsch nicht deine Muttersprache ist? Respekt! Ich stelle oft fest, dass Menschen, die Deutsch als Fremdsprache erlernt haben, sich äußerst differenziert ausdrücken können und in vielen Fällen auch deutlich besser rechtschreiben können als “Einheimische”.
Übrigens: In Frankreich etwa scheint mir gute Rechtschreibung (noch) einen höheren Stellenwert zu haben als in deutschsprachigen Ländern.
Inhaltlich bin ich bei deinen Argumenten ganz bei dir.
In den kommenden Tagen folgt mein nächster Beitrag. Die Diskussion zu diesem Thema werde ich hiermit schließen.
Schöne Grüße
Dagmar
Wer Journalisten Rechtschreibfehler zugesteht (wir reden ja nicht von versehentlichen Flüchtigkeitsfehlern), der akzeptiert vermutlich auch, dass ein Mathelehrer 2 und 2 nicht richtig addieren kann.
Das Problem dabei ist doch, dass für die jeweilige Berufsgruppe grundlegendes, elementares Handwerkszeug nicht beherrscht wird, vergleichbar mit dem Taxifahrer, der keine Fahrerlaubnis hat.
Irgendwo hört für mich die Toleranz durchaus auf.
Zudem geht der Spaß beim Lesen verloren, wenn man permanent von den fehlenden Kommata, “das” statt “dass” und anderen Fehlern abgelenkt wird – und das kommt mittlerweile in fast jedem Buch vor, von Zeitungsartikeln will ich gar nicht erst reden. Natürlich ist der Inhalt sehr wichtig, aber die Verpackung spielt auch eine (nicht zu geringe) Rolle.
Das finde ich auch. In Druckerzeugnissen hat alles zu stimmen. Man will auch nicht mit jemandem Taxi fahren, der den Weg nicht kennt. Von “Normalmenschen” kann man keine stimmige Rechtschreibung erwarten, da ist es ein Geschenk an den Leser.
Übrigens würde ich das Rechtschreibwissen nicht dem Journalisten selbst abverlangen, dessen Hauptkompetenzen ich schon in anderen Bereichen sehe. Viele können ein Auto fahren, aber nicht alle wissen den besten Weg. Aber es sollte Lektorate geben, in denen die Texte überarbeitet und korrigiert werden. Von einem Rechtschreibkorrektor verlange ich hingegen nicht, daß er die Lage in Libyen korrekt einzuschätzen vermag oder eine fundierte Meinung zum Thema Sterbehilfe abgeben kann.
Hier habe ich mal was Krasses gefunden und kommentiert.
http://widerdiedummheit.blogspot.com/2010/12/deutsch-im-freien-fall.html
Sie haben völlig recht. Solche Sachen fallen nicht unter Sprachwandel, denn ein solcher wurde in diesem Lande von der Kreativität der Schriftsteller und guter Journalisten vorangetrieben. Was Sie geißeln, ist hingegen Sprachverfall, und da gebe ich Ihnen hundertprozentig recht!
Hallo,
bin über verschiedene Blog-Querverweise auf diese Seite gestoßen und habe mal kurz reingelesen.
Ich bin selbst Übersetzer, Redakteur und Pedant und genieße normalerweise Diskussionen über die Falltüren und Stoplerstricke der deutschen Sprache.
Vieles von dem, was ich hier gelesen habe, beunruhigt mich jedoch etwas, denn es scheint auf der Annahme zu beruhen, dass man in Bezug auf Sprachgebrauch ein absolutes Urteil als „Richtig“ oder „Falsch“ fällen kann.
Wer so denkt, der ignoriert die Tatsache, dass Sprache in erster Linie der Kommunikation zwischen Menschen dient und dass Grammatik nichts weiter ist als eine Reihe von Konventionen, auf die wir uns in etwa geeinigt haben, um diese Kommunikation zu vereinheitlichen.
Wer immer die Konvention über die Kommunikationsabsicht stellt, tut der Sprache selbst einen Undienst. Sprache ist unendlich flexibel und wandelbar und die „Puristen“ von heute sind lediglich die Dinosaurier von morgen.
Beeindruckt war ich allerdings von Herrn Trusts Beiträgen zu der Diskussion – schade nur, dass sie in der Runde keine weitere Resonanz zu finden schienen.
Sprache, das gesprochene Wort ist durchaus flexibel und individuell, aber das ist der Unterschied zum geschriebenen Text. Niemand spricht wie geschrieben (mal abgesehen davon, dass z. B. der “Deppenapostroph” auch durch die Sprache nicht hörbar wird, dennoch verwenden den viel zu viele Leute – warum nur?), aber dennoch sind Konventionen in der geschriebenen Sprache nötig. Sonst bräuchte man auch keine Lektoren oder Redakteure mehr!
Nur weil viele Leute etwas falsch machen, heißt es ja auch nicht, dass es dadurch richtig(er) wird.
Es ging mir genauso, Herr Kahl. Vielen Dank!
@x3Ray
Natürlich sind Konventionen erforderlich, aber wir sollten diese nie als absolut und umumstößlich verstehen. Ich habe selbst oft Spaß daran, mich im Kreis meiner Freunde und Kollegen über das aufzuregen, was ich persönlich als einen (deutschen oder englischen) Sprachmissbrauch verstehe. Man sollte sich selbst dabei allerdings nicht allzu ernst nehmen
Ich kann Ihnen auch nicht ganz zustimmen, wenn Sie sagen, dass eine vermeintlich falsche Sprachgewohnheit dadurch nicht richtiger wird, dass viele Leute sie verwenden. Denken Sie beispielsweise an den “split infinitive” im Englischen, der vor etwa 50 Jahren noch stark verpönt war. Aber dann kam Star Trek mit dem unvergesslichen Spruch “to boldly go where no man has gone before” und heute wird eine solche Konstruktion nur noch selten angefochten.
Gleichermaßen wäre es durchaus denkbar, dass sich in Zukunft das aus dem Englischen importierte Genitiv-s bei uns durchsetzt. Na, das sollte doch noch ein paar Kommentare wert sein oder…?
Genau, Herr Kahl. Ich stimme außerdem auch nicht mit der Auffassung überein, daß Sprachentwicklung nur oder vor allem von Dichtern und anderen Schriftgelehrten vorangetrieben wird. Sondern die Veränderungen vollziehen sich in der gesprochenen Sprache und werden dann in die Hochsprache, die Schriftsprache übernommen. Irgendwann wird man auch in hochartifiziellen Romanen lesen können: “wegen dem schlechten Wetter”.
Herr Trust hat einen Schlüsselsatz geschrieben:
“Die Regelwerke haben sich immer der Sprache angepasst und nur selten ist der umgekehrte Weg begangen worden.”
Mit dem umgekehrten Weg haben wir es allerdings seit der unseligen Reform zu tun. Eine Gruppe von Ministern hat beschlossen, dass Schreibungen neuen Regeln folgen, sie hatten versprochen, es werde sich wirklich nur etwas für die Schreibung ändern, nicht aber für die Sprache.
Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die neuen Regeln haben so viel Verwirrung gestiftet, dass ein kompletter Block unserer Sprache abzubrechen droht, der als sprachliches Gestaltungsmittel große Bedeutung hat: Die Getrennt-/Zusammenschreibung. Dies ist ein Bedeutungsträger, der durch nichts anderes ersetzt werden kann. Es ist ein großer Verlust für die Sprache.
Beispiel: “Ich dachte, sie würde nicht einfach an mir vorüberlaufen.”
Der Duden schreibt zusammen, das Volk trennt alles Mögliche, was in ähnlicher Weise zusammengesetzt wird.
“Ich dachte, sie würde nicht einfach an mir vorüber laufen.”
Niemand überprüft seine Schreibung durch lautes Vorlesen des Geschriebenen, denn dann würde klar werden, dass “laufen” einen zu starken Ton bekommt. Aber da ist irgendwann das Signal ergangen, dass viele früher in einem Wort geschriebenen Begriffe jetzt auseinandergerissen werden dürfen, ist ja auch bequemer, darum erlebt man jetzt die gruseligsten Frakturen.
In spätestens einer Generation wird die Betonung vergessen sein. Damit verschwindet ein ganzer Katalog von Verben aus der Sprache, die das Deutsche früher so plastisch und bildhaft gemacht haben.
Wenn ich den oben zitierten Satz weiterführe, ist es auch nicht wünschenswert, durch Regeländerungen in die Sprache einzugreifen. Der Schaden, der durch die Reform angerichtet wurde — und zwar mittelbar, durch Imitation und Vermutungen, nicht durch strikte Anwendung –, ist enorm. Man kann sagen, das sei ja nicht die Schuld der neuen Regeln. Aber wer schlägt schon alles nach, was er schreibt, vor allem im flotten Tempo der Internet-Kommunikation? Da versuchen die meisten eher, von den Eckwerten abzuleiten. Hier wurden Signalfahnen mit verhängnisvoller Wirkung gesetzt, auch wenn das nicht Absicht war.
@Eva: Die augenblickliche Situation der Verarmung der Ausdrucksmöglichkeiten hätte ich nicht besser beschreiben können. Überall wird zu Unrecht angesichts einiger Anglizismen über den Sprachverfall lamentiert, aber hier, wo er überdeutlich zu sehen ist, meldet sich kaum jemand. Mit Grausen habe ich Deine Prognose gelesen. Gibt es denn keine anderen Möglichkeiten? Immerhin haben wir ein gewaltiges Korpus literarischer Texte, in denen Bedeutungsunterscheidungen durch Getrennt- oder Zusammenschreibung wichtig sind. Werden die jetzt alle vereinheitlichend gedruckt, so daß keiner mehr wissen kann, was gemeint war? Ein bedrückendes Szenario!
Ja, ich habe schon überlegt, ob man das mal den Kultusministern klarmachen könnte. Denn die Leute, die diese Änderungen verbockt haben, sind ja wohl inzwischen nicht mehr im Amt. Ich finde nicht, dass da alles zu spät ist. Aber man müsste tatsächlich gute Definitionen erarbeiten, denn das Gefühl für die richtige Schreibung ist inzwischen dabei verloren zu gehen. Ihr Hinweis auf die schon bestehende Literatur ist wichtig, finde ich. Hier könnte man auch Beispiele für den von uns besprochenen semantischen Komplex finden. Das erinnert mich so ein bisschen an die Antwort, die mir meine Mutter immer gab, wenn ich sie nach ihren Kochrezepten fragte: “nach Gefühl”, war oft ihre Antwort. Aber ein Gefühl muss man erst einmal erwerben, und dafür braucht man Rezepte. Ebenso ist es mit dem sprachlichen Abschmecken. Vielleicht findet sich ja mal ein Gremium, das Regeln erarbeitet. Eine, die einen Teil tragen würde, ist: “Vorgänge, die zu einem Abschluss, Ziel, Produkt oder Ergebnis führen, werden in einem Wort geschrieben.” Beispiele: Zusammensetzen, gesundpflegen, glattschleifen, hochziehen, herüberwerfen. Ausnahme: blau färben.
Tragisch ist auch, dass die Unterscheidung zwischen wörtlichen und übertragenen Bedeutungen immer mehr verlorengehen.
Aber das ist ein anderes Kapitel.
P.S. “verlorengehen” nicht auch in einem Wort?
Ehemalige Verbindungen aus zwei Verben werden nun getrennt geschrieben, wenn ich nicht irre; also “verloren gehen”.
Den gleichen dämlichen Fehler (“auf’s Lesen”) gab es vor kurzem auch in einer anderen Zeitung direkt auf der Titelseite:
http://www.deppenapostroph.info/appetit-aufs-lesen-wecken-so-leider-nicht/
Hallo und Grüß Gott!
Schreibe ich richtig “er/sie/es machts” oder “sie macht’s”?
mit herzrechtlichem Gruß, Christian ;o)
Hallo Christian,
es ist beides möglich. Siehe http://www.neue-rechtschreibung.net/2009/09/04/mir-gehts-gut-mir-gehts-gut/
Schönen Gruß
Dagmar