Weltfrauentag: Einladung zum Experiment

imgp3333Heute ist Weltfrauentag. Zu feiern gibt es wenig, zu beklagen viel. Nach wie vor stehen Frauen gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch deutlich schlechter da als Männer. Sie verdienen weniger, sind stärker armutsgefährdet, sind sexueller Aggression, Vergewaltigung, Genitalverstümmelung ausgesetzt. Vom alltäglichen Sexismus, der Frauen als dümmer, weniger fähig und insgesamt weniger wertvoll als Männer bezeichnet, ganz zu schweigen. Etwa kürzlich im Flugzeug: „Oh Gott! Eine Pilotin im Cockpit. Rette sich, wer kann!” Großes Gelächter im ganzen Flugzeug. Aber immerhin leben wir in Österreich in einem Rechtssystem, vor dessen Augen eine Frau exakt so viel wert ist wie ein Mann. Was weit nicht alle Länder von sich behauptet können. Gesetze werden auch hierzulande nach wie vor überwiegend von Männern gemacht. Der Frauenanteil im österreichischen Nationalrat liegt bei 27,87 Prozent.

Das Fazit ist klar: Wir leben in einer männerdominierten Welt. Dass Frauen Kinder kriegen, wenn sie es denn wollen, ist anatomisch bedingt. Dass es auch die Frauen sein müssen, die sich fast ausschließlich um die Kinderaufzucht zu bemühen haben, während Männer sich die Macht in der Wirtschaft und Politik unter sich aufteilen, ist kein Schicksal, sondern gesellschaftlich gewollt. Dass Ehrgeiz und Selbstüberschätzung männlich sind, während Selbstunterschätzung und rosa gewandete Harmlosigkeit weiblich sind, beweisen sowohl die Alltagsbeobachtung als auch zahlreiche Untersuchungen. Es gibt auch kein Naturgesetz, das Hausarbeit überwiegend Frauen zuschreibt.

Es verwundert nicht, dass oft Frauen angesichts der Aussichtslosigkeit der Situation und der männlichen Übermacht schlicht kapitulieren. Und sich einreden, dass ihr einziges Ziel im Leben darin bestünde, Kinder zu bekommen und großzuziehen. Bascha Mika hat in ihrem Buch „Die Feigheit der Frauen”, das ich in Kürze rezensieren werde, den Finger in offene Wunden gelegt.

Woran liegt es, dass Männer seit 2000 Jahren als der wertvollere Teil der Menschheit betrachtet werden, angefangen von der Bibel, den griechischen Philosophen und der Aufklärung, deren Erklärung der Menschenrechte selbstverständlich nur für Männer galt? Am Stückchen Fleisch zwischen den Beinen kann es nicht liegen. Männliche Übermacht ist menschengemacht. Männergemacht.

Männer haben auch Sprache gemacht, genauer gesagt kodifiziert. Und sie haben diese Sprache für sich gemacht.

Deshalb heute meine Einladung zu einer verkehrten Welt. Verwendet am heutigen Frauentag eine feminine Personenbezeichnung dort, wo ihr normalerweise auf die maskuline zurückgreift. Also ich gehe heute zur Frisörin anstatt ich gehe heute zum Frisör. Oder die meisten meiner Kolleginnen sind unter 30 anstatt die meisten meiner Kollegen sind unter 30. Oder, im Supermarkt: Ich möchte die Filialleiterin sprechen … auch wenn ihr keine Ahnung habt, ob dort eine Frau oder ein Mann das Sagen hat.

Beobachtet euch selbst dabei, wie es euch damit geht. Ich habe vor vielen Jahren damit angefangen und mich anfangs sehr eigenartig gefühlt … klar, ich tanzte doch gewaltig aus der Reihe. Oft erntete ich verwunderte Blicke, aber darauf angesprochen hat mich selten jemand. Heute kommen mir überwiegend weibliche Personenbezeichnungen völlig locker über die Lippen.

Nun muss ich mich aber wieder den zahlreichen Anfragen von Kundinnen zuwenden.

Einen schönen Frauentag wünsche ich uns allen!

Das Foto zeigt übrigens das, was sich ein männlicher Architekt unter einer stilisierten Frau vorstellt. Zart, wenig Raum einnehmend, unscheinbar. Zu besichtigen in der grandiosen Stadt Buenos Aires, Argentinien.

4 Responses to Weltfrauentag: Einladung zum Experiment

  1. “Dass Frauen Kinder kriegen, wenn sie es denn wollen, ist anatomisch bedingt. Dass es auch die Frauen sein müssen, die sich fast ausschließlich um die Kinderaufzucht zu bemühen haben, während Männer sich die Macht in der Wirtschaft und Politik unter sich aufteilen, ist kein Schicksal, sondern gesellschaftlich gewollt.”

    Genau Deiner Meinung. Es ist ein Skandal, dass ausschließlich nur wir Mütter verantwortlich für die Betreuung der Kinder gemacht werden. Die Kinder haben schließlich sehr viel von den Vätern, sie brauchen sie regelrecht. Und die Omas, die Opas, sowie andere nähere Erwachsene.

    Was das Experiment angeht, bemühe ich mich auch. Ich gehe z.B. zu meiner Frauenärtzin, denn sie ist eine Frau.

    Und Sätze wie “Wenn man schwanger ist …” sind mehr als lächerlich …

  2. Hallo Montserrat,

    du sagst es! Wenn ich mir die gesellschaftliche Debatte über Kinderbetreuung etc. anhöre, geht es immer nur um die Mütter. Als ob die Kinder keine Väter oder andere Bezugspersonen hätten, die in die Pflicht genommen werden können und sollen.

    Übrigens habe ich gehört, dass in einem Wiener Krankenhaus vor gar nicht allzu langer Zeit folgendes Informationsschild angebracht war: “Die Geburt ist bei jedem anders.”

    Absurder wird’s wohl kaum.

    LG
    Dagmar

  3. Hermann Spraul sagt:

    Hallo zusammen!

    auch als Mann unterstütze ich das Bestreben und das Recht der Frauen auf Gleichberechtigung. Gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
    Es ist mit den Grundrechten nicht vereinbar, wenn das missachtet wird.

    Wenn eine Frau ein von Männern dominiertes Handwerk ausübt, gebührt ihr gleicher Lohn. Außer sie ist einigen wichtigen Arbeiten rein körperlich nicht in der Lage. Dies wird durch maschinelle und technische Hilfen heutzutage immer seltener.

    Das Schild in einem Wiener Krankenhaus finde ich gedankenlos und ein Grund zum schmunzeln.

    Dass viele Frauen sich über das Wort “man” aufregen, kann ich nicht nachvollziehen. Denn es handelt sich hierbei eindeutig um ein geschlechtsneutrales. Hier Schreibweisen wie “mann” und “frau” einzuführen, das halte ich für kleinlich und höchst überflüssig. Für mich zeugte das von zu wenig Selbstbewusstsein. Denn dieses erkennt man nicht an solchen Bagatellen.
    Wen bitte interessiert im Allgemeinen, ob die Frau eine Damenhose trägt und der Mann eine Männerhose?? Das neutrale Wort “Hose” reicht. Bei einer Artikelbeschriftung hingegen muss man da sehr wohl unterscheiden.

    Dass Berufsbezeichnungen Rücksicht auf das jeweilige Geschlecht nehmen, war schon längst überfällig: Kaufmann – Kauffrau, Frisör – Frisörin, Tischler – Tischlerin, Fotograf – Fotografin, Autor – Autorin, Arzt – Ärztin usw.

  4. Thank you very much for that excellent article

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