Ich gehe Kino

Derzeit versuche ich mich im Erlernen der griechischen Sprache und habe mit Freude festgestellt, dass manchmal die Präposition einfach weggelassen werden kann. Anstatt also zu sagen ich gehe ins Kino, darf es im Griechischen schlicht folgendermaßen heißen: Ich gehe Kino. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass ich den Artikel des jeweiligen Substantivs nicht dazudenken muss, denn schließlich gibt es auch im Griechischen drei Artikel … und das ist eine ganze Menge. Wie im Deutschen auch ändert sich die Verschmelzung aus Präposition und Artikel je nach Genus des Substantivs, siehe ich gehe ins Haus oder ich gehe in die Schule.

Manchmal ereilt mich in der U-Bahn der Eindruck, Griechisch mit deutschen Wörtern zu hören, also etwa, wenn besonders Mitteilungsbedürftige am Handy sagen: Ich bin Westbahnhof. Oder auch: Ich fahre Mariahilfer Straße. Im Deutschen geht das (leider?) gar nicht. Es führt kein Weg daran vorbei, sich zu merken, dass der Bahnhof männlich und die Straße weiblich ist. Ich weiß nicht genau, ob dieser Trend auf eine bestimmte Sprache zurückzuführen ist, die in Österreich von vielen Menschen mit Migrationshintergrund, wie das so schön heißt, gesprochen wird. Weiß da jemand mehr als ich? Kommt das eventuell aus dem Türkischen?

Wie dem auch sei: Die Sprachpuristin in mir zuckt jedes Mal zusammen, wenn sie solche Formulierungen hört. Wie geht es euch dabei? Wie findet ihr diese sprachliche Entwicklung, die offensichtlich nicht aufzuhalten ist? Würdet ihr selbst aus Bequemlichkeit so sprechen? Besonders spannend fand ich es, kürzlich bei mir im Wohnhaus beim Liftfahren zwei Jugendlichen zuzuhören, von denen ich weiß, dass sie keinen Migrationshintergrund haben. Dennoch fragte einer den anderen: Gehen wir Fußballplatz? Woraufhin der andere antwortete: Gehen wir lieber Park.

21 Responses to Ich gehe Kino

  1. Der Artikel passt gerade wie die Faust auf’s Auge! Mir ist diese Art der Ortsangabe seit meinem Umzug Anfang des Jahres schmerzlich oft aufgefallen. In meiner alten Heimat, in Franken, hörte man diese Formulierungen nur von der “Generation Facebook”. Hier an der deutsch-österreichischen Grenze in der Nähe von Salzburg habe ich das auch schon Mitgliedern der “Großelterngeneration” gehört. Ich frage mich schon, ob ich mich dadran noch irgendwann gewöhnen kann, oder dauerhaft immer wieder zusammenzucke?

    Viele Grüße
    Susanne

  2. Gärtner sagt:

    Ich konnte es neulich nicht vermeiden mich zu einem Kommentar verleiten zu lassen, als das Fehlen eines Teilnehmer von seinem Kollegen mit der Aussage “Herr Soundso ist Arzt.” entschuldigt wurde.
    “Wirklich? Wann hat der denn studiert?”

  3. Nico Z sagt:

    Das Phänomen ist mir als fleißigem Griechischstudenten auch schon aufgefallen und ehrlich gesagt finde ich, dass es auch auf Deutsch gar nicht schlecht klingt. Kann mir schon vorstellen, das umgangssprachlich zu verwenden, aber es klingt eher nach Szenesprache oder Insidersprache zwischen Kumpels. Deshalb denke ich nicht, dass sich die Formulierung großartig verbreiten wird.
    Schöne Grüße
    Nico

  4. Auch ich zucke zusammen, wenn ich das höre bzw. lese (Facebook-Postings). Bei jedem Wien-Besuch denke ich, ich bin im falschen Film. Mir scheint jedoch, dass sich dieser Trend in der ländlichen Region, in der ich lebe, noch nicht so stark verbreitet hat – zum Glück! Auch in Graz, wo ich regelmäßig mit den Öffis fahre, ist es mir noch nicht aufgefallen. Ich werde aber beim nächsten Mal gezielt darauf achten.
    Viele Grüße,
    Michaela

  5. Morris sagt:

    Eine Frage an Michaela König: Was bitte sind Öffis?

  6. Julian sagt:

    Ich bin der Meinung, die Erscheinung – Präpositionen einfach auszulassen, beschränkt sich auf nur eine Generation. Kommunikation läuft nur noch via Smartphone. Das Hirn denkt in SMS/Chatt Takt – auch die Mimik geht verloren, direkter Augenkontakt ebenso.

    Ein Migrationshintergrund ist dafür eindeutig kein Grund, aber der Bildungsstand der Eltern und deren Kommunikationsverhalten/Umgang mit Ihren Kindern dennoch ein Faktor.

    @Morris – Öffis = Öffentliche Verkehrsmittel wie sie in Wien liebevoll genannt werden.

  7. P. I. Atamaniuk sagt:

    Der Richtungsakusativ wird, scheint’s wiederbelebt.
    “Ich geh Schule” uä habe ich im Turkdeutschen auch schon gehört.
    Bei Konstruktionen wie etwa “Italienreisende” oder “Morgenlandfahrer” hätten wir noch einen schwachen Anklang an einen Richtungsakusativ.

  8. Sven sagt:

    Das Weglassen der Präpositionen ist mir hier in Hamburg noch nicht so deutlich aufgefallen. Meine Kollegen aus den nordöstlichen neuen Bundesländern aber lassen gern Artikel jedweder Form weg. Das ist der Hund schonmal ‘bei Baum’ oder man fährt ‘mit Fahrrad’ zur Arbeit.

    Anfangs habe ich das beschmunzelt, später dann mich immer mal wieder darüber belustigt. Inzwischen fällt es mir schwer, darauf aufmerksam zu machen, dass man Artikel, bestimmt oder unbestimmt durchaus benutzen darf, dass sie eine Daseinsberechtigung, ja einen Sinn haben. Die Reaktion, wenn ich mal darauf hinweise, ist Ignoranz.

    Es ist ein mühseliger Kampf gegen Windmühlen…

  9. Dirk sagt:

    Also, ich komm aus einem der oben beschriebenen Länder, aber dieses Ausländerdeutsch mit weggelassenen Präpositionen oder Artikeln kenn ich nicht aus dem Osten. Wenn ich so was höre, denke ich unweigerlich ans Rheinische oder an die Türkenkinder in Berlin.

  10. Danke an alle für eure Einschätzungen!

    @Nico: Auf welchem Niveau bist du beim Griechischlernen? Hast du einen heißen Tipp für mich? Ich denke da an Hilfsmittel, die du eventuell praktisch findest. Ich bin ja noch Anfängerin und versuche, Twitter-Botschaften auf Griechisch zu lesen und griechisches Radio zu hören. Kürzlich empfahl mir meine Lehrerin diese Website für AnfängerInnen: http://www.xanthi.ilsp.gr/filog/default.htm

    Schönen Gruß
    Dagmar

  11. Lisa sagt:

    Ich zucke auch! In Wien ist mir das aber noch nie aufgefallen, allerdings in der West-Steiermark. Dort ist es umgangssprachlich auch in der älteren Generation üblich. Die Judenburger fahren Graz, gehen Kino und fahren Urlaub. Manchmal kann ich nicht an mich halten und korrigiere, was natürlich sinnlos ist. Da mein Lebensgefährte einer “von denen” ist, werde ich es einfach hinnehmen. :-)

  12. Martina Hrnecek sagt:

    Also ich denke, dass das z.T. auch aus dem Dialekt kommt. Z. B. Tirolerisch: wir gehen Berg (von berggehen). Wir gehen Kino hört man auch.

  13. Andrew sagt:

    Dazu fällt mir der Edeka-Spot ein, den ich eigentlich ganz gelungen finde: http://tinyurl.com/bo6e4l7 (Ziel verweist auf Youtube).

  14. Blanca sagt:

    Ich bin schockiert! Ich wusste gar nicht, dass es Menschen gibt, die in diesen Sätzen den Artikel weglassen. Auch meine Kolleginnen (wir arbeiten als Flugbegleiterinnen), die ich gerade gefragt habe, sagen, sie hätten diese Konstruktionen ohne Artikel noch nie gehört.

    Diese Sätze sind meiner Meinung nach alles, nur kein schönes und korrektes Deutsch.

    Mit schönen Grüßen

    Blanca

  15. H. sagt:

    Hallo zusammen,

    es wundert mich, dass das hier so viele tolerieren. Ich finde, dieses Phänomen liegt eher an der Faulheit der betreffenden Leute, die Artikel richtig zu lernen. Ob wir z. B. beim Pisa-Test so weiterkommen? Es ist ja kein Wunder, dass viele Firmen gar keine passenden Auszubildenden mehr finden, weil z. B. das Deutsch der Bewerber so unterirdisch ist.

    In Deutschland wird ja gerne immer alles toleriert, damit wir Weltoffenheit demonstrieren, dies ist in meinen Augen oftmals auch der falsche Weg.

    Gruß H.

    PS: Susanne, “Faust auf’s Auge” >> “aufs” Präpositionen werden niemals mit Apostroph geschrieben.

  16. Blanca sagt:

    Mir ist aufgefallen, dass ich in meinem Beitrag “Artikel” geschrieben habe, ich meine natürlich das Weglassen der Präposition.

    Ich stimme H. zu. Ich kann auch nicht verstehen, warum das so viele tolerieren. Diese Sätze sind einfach nur grauenvoll.

    Blanca

  17. H. sagt:

    Hallo Bianca,

    das Weglassen der Präpositionen und der Artikel geht einher, das braucht man demnach nicht zu trennen.

    Dagmar, Du hast da oben einen kleinen Tippfehler: “Wie geht es auch dabei?”. Weiß nicht, ob Du das noch ändern kannst.

    Gruß H.

  18. Danke für den Hinweis, H.! Tippfehler ist korrigiert.

  19. Matthias sagt:

    Also ich kenne die ausgelassene Präposition gut. Viele Jugendliche in Wien sprechen so. Bei Zuwanderern denke ich mir, es wird mit den komplizierten deutschen Präpositionen zu tun haben (die sind manchmal wirklich unübersichtlich.). Nicht-zugewanderte Kids übernehmen diesen Stil, vielleicht um zu provozieren, sich abzugrenzen, wegen ihrer türkischen Freunde usw. Und am Land höre ich das auch manchmal. Hier scheint es aus der Angst vor der falschen Präposition zu kommen (“Fahren wir auf Fürstenfeld” statt “nach Fürstenfeld”). Grauslich find ich’s trotzdem.

  20. Norbert sagt:

    Das Weglassen von Präpositionen habe ich bei Deutschen noch nicht bemerken können, wohl aber bei denen, die eine andere Muttersprache haben und Deutsch nur gebrochen sprechen.
    Da die Präpositionen einen Informationsgehalt haben, sollte man sie auch nicht weglassen. Es wäre doch schade, wenn man die Liebe fürs Leben sausen lassen würde, nur weil man nicht genau weiß, ob man sich im oder am oder vor oder neben oder hinter dem Eiscafé verabredet hatte.
    Und alles nur wegen einer fehlenden Präposition! (-:

  21. Kostas sagt:

    Dass die lokale Präposition vor allem im lockeren Alltagsgriechisch häufigst tatsächlich ausgelassen wird, mag für Sie eine höchst willkommene Bequemlichkeit darstellen, Frau Jenner, mir armem DaFler macht es aber schwer zu schaffen, weil es bei meinen griechischsprachigen Schülern ja immer wieder zu Interferenzfehlern führt! :-)

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>