Wer will auf Nummer Sicher gehen?
Ich beobachte einen eigenartigen Trend, nämlich einen Trend zur unmotivierten Großschreibung von Adjektiven. Während bei einer Substantivierung die Großschreibung natürlich verpflichtend ist (nachzulesen etwa hier), wird bei einer normalen Verwendung, also prädikativ oder attributiv, immer kleingeschrieben.
Hier ein Beispiel für ein prädikatives Adjektiv:
Der Winter ist kalt.
Und hier ein attributives Adjektiv.
Der kalte Winter hat begonnen.
Immer wieder lese ich Formulierungen mit verunglückten Adjektiven, etwa wenn online ein Schreibtisch, Neuwertig und Ungebraucht feilgeboten wird. Oder eine Werbung für ein Restaurant: täglich Frische Speisen.
Vielleicht ist dieser neue (?) Trend ein Versuch, besonders Wichtiges zu betonen. Das ist zwar löblich, aber so funktioniert die Rechtschreibung nun mal nicht.
Sehr löblich finde ich es auch, für einen guten Zweck zu spenden (und zwar regelmäßig und nicht nur zu Weihnachten). Verständlich, dass angesichts diverser Spendenskandale viele Menschen auf Nummer sicher gehen möchten … aber eben nicht auf *Nummer Sicher wie hier in dieser Werbung, die ich heute in der Zeitung gefunden habe.
Sicher ist hier ein nicht substantiviertes Adjektiv und es gibt keinen Grund, es großzuschreiben. Schön gelöst ist das Dilemma hingegen in der Überschrift: Wenn alles in Großbuchstaben geschrieben wird, erübrigt sich die ganze Frage natürlich. Wie praktisch!
Aber um welche Art von Adjektiv handelt es sich, wenn es *nach* dem Substantiv steht? Woher kommt der Ausdruck “auf Nummer sicher gehen” überhaupt? Vielleicht aus dem Bereich Glückspiel? Warum sagt man nicht “auf sichere Nummer”? Theoretisch könnte ‘sicher’ als Adverb zu ‘gehen’ gehören, dann wäre die Kleinschreibung ja selbstverständlich. Fragen über Fragen …
Hier gibt es – allerdings zur Großschreibung – eine mögliche Erklärung:
http://www.geo.de/GEOlino/mensch/redewendungen/deutsch/auf-nummer-sicher-gehen-51402.html
Aber ob das stimmt? Das Internet ist bekanntlich geduldiger als Papier …
Es hat zwar mit dem Thema nichts zu tun, aber ich muss es hier unbedingt berichten. Es betrifft auch die Groß- bzw. Kleinschreibung.
Ich habe gestern an der Tür zu den Toiletten eines Rasthofes folgenden Satz gelesen:
“Bitte verlassen Sie die Toiletten so, wie sie Sie vorzufinden wünschen!”
Da frage ich mich: “Was sind das für Zeiten, in denen schon Toiletten Wünsche äußern dürfen?”
Hallo stephensken,
danke für diese Perle! Habe sehr gut gelacht!
Schönen Gruß
Dagmar
Köstlich! Ja, auf die Wortstellung kommt es oft sehr genau an. Dann traue ich mich in diesem Zusammenhang nun doch noch zu fragen, wie Dagmars Aussage gemeint war, ich zitiere:
“*Sicher* ist hier ein nicht substantiviertes Adjektiv …”
War das Absicht, oder sollte es heißen “… ist hier nicht ein …”?
“kein” wäre dann natürlich eleganter als “nicht ein”.
Hallo Fritz,
du hast natürlich vollkommen Recht!
Was deine grammatikalische Frage betrifft, so bin ich ad hoc überfragt und muss das mal recherchieren.
Sonnigen Gruß
Dagmar
Ich votiere für die Großschreibung. Wenn es hieße “mit Investitionen sicher gehen” hätten Sie sicher Recht. Als Redewendung gehört “Nummer Sicher” sicher zusammen und im Schriftbild scheint mir diese Form schlüssiger.
Hut ab vor Ihrem interessanten und sehr wichtigen Blog!
Gert